Kreation

24.08.2021

Wenn Marken sprechen könnten

Wenn wir an Marken denken, denken wir immer an das, was wir mit ihnen verbinden: saubere Wäsche, eine komfortable Autofahrt mit Stil oder die Lieblingsjeans, die einfach als einzige richtig sitzt. Diese Gedanken werden nicht nur von den Produkten selbst beeinflusst, sondern vor allem davon, wie die Marke mit uns kommunziert. Schafft es eine Marke, ihre Zielgruppe richtig zu erreichen – oder sogar in einen echten Dialog zu treten – werden aus Konsumenten Markenfans, manchmal sogar Markenjünger.

Wenn Marken sprechen können

Auch bei Marken zählen die inneren Werte

Die Corporate Identity trägt einen großen Teil zu einer gelungenen Kommunikation bei: Wie sieht die Marke aus, wie fühlt sie sich an, wie spricht sie mit mir, was macht genau diese Customer Experience besonders. Das sind die Dinge, die uns bewusst oder unterbewusst für eine Marke begeistern oder auch von ihr abschrecken. Genau wie im richtigen Leben, achten wir auf das Äußerliche. Das sage ich ganz wertfrei, denn wir benutzen nunmal meist zuerst unsere Augen, um etwas wahrzunehmen. Aber dann beginnen wir, hinter die Fassade zu blicken. Und hier entscheidet sich schnell, ob wir mit einer Marke wirklich eine Beziehung eingehen wollen oder ob sie uns nur geblendet hat. Es kommt also auch auf die inneren Werte an – und ich hoffe, wir haben nun alle den Glauben an die Menschheit zurückgewonnen. Aber was meine ich damit konkret? Klar, das Produkt oder die Dienstleistung hinter der Marke, müssen natürlich passen. Interessant ist aber auch: Wie werden die Markenwerte transportiert? Erreichen sie mich? Stimme ich der Marke zu? Wie spricht sie mit mir? Auch das ist Teil der Corporate Identity.

Corporate Language
ist elementarer Bestandteil der CI

Für mich als Concept Creator und Copywriter ist es oft erstaunlich, wie viel man darüber nachdenkt, was eine Marke kommunizieren soll, aber oft viel zu wenig darüber, wie sie kommunizieren soll. Denn die Sprache und die Ausdrucksweise trägt einen großen Teil dazu bei, ob ich mich überhaupt mit irgendjemandem oder irgendetwas auseinander setzen will.

Tonality, Tone of Voice, Tenor – Es gibt viele Begriffe für das, was eigentlich Corporate Language heißt – das sprachliche Pendant zum Corporate Design. Ein Parade-Beispiel für (fast) gelungene Corporate Language ist IKEA. Produkte mit schwedischen, lustig klingenden Namen (ich meine damit dich, Klobürste „Virus“), ein Sprecher mit starkem skandinavischen Akzent und die bekannte Ansprache mit „Du“. Auf den ersten Blick amüsant und exzentrisch. Doch dahinter steckt viel mehr. Eine Sprache, die konsequent aus der Positionierung der Marke hergeleitet ist: erschwingliches skandinavisches Design für jeden – einfach und nicht abgehoben. IKEA ist unser lustiger, etwas merkwürdiger Nachbar, der mit so gut wie jedem klarkommt und immer für eine Überraschung gut ist. Das alles unterstützt die Corporate Language. Und was leicht und lustig klingt ist konsequent strategisch.

Corporate Language

Ikea, ein Paradebeispiel für Corporate Language

Ist Ihnen aufgefallen, dass IKEA uns duzt, wir im Möbelhaus aber mit „Sie“ angesprochen werden, dass die Produkte niemals „preiswert“ sind, sondern immer „günstig“? Das alles ist kein Zufall! Das Dutzen der Zielgruppe liegt an der Positionierung – hauptsächlich jüngere Leute – im Möbelhaus zählt allerdings die Höflichkeit und die Expertise, also werden wir gesietzt. Wenn wir jemanden ansprechen, dann natürlich weil wir etwas suchen, aber vielleicht wollen wir eine Küche planen oder ein PAX-System zusammenstellen. Da steckt einiges an Geld drin und deswegen gebührt sich hier: Respekt vor dem Kunden!
All das ist in Corporate Language Guidelines festgehalten: sprachliche Beispiele, Do’s and Dont’s, Love-Words und No-Words – eben genauso wie Corporate Design Guidelines. IKEA ist zwar nicht perfekt (die Kommunikation auf der Website könnte sich eine Scheibe von der Stringenz aus TV und Radio abschneiden) aber denoch ein gutes Beispiel für eine einheitliche Corporate Language. So kommuniziert eine Marke erfolgreich und spricht die Sprache der Zielgruppe – im wahrsten Sinne des Wortes.

Corporate Language
ist elementarer Bestandteil der CI

Und wer jetzt denkt: „IKEA ist eine Ausnahme, das eignet sich doch nicht für etwas seriöses oder eine Dienstleistung, oder einen Bäcker, oder ein Versandhaus, oder oder oder …“ Der könnte auch sagen: „Das eignet sich doch nicht für ein Möbelhaus, das skandinavisches Design verkauft!“. Coporate Language sollte immer ein Teil der Marke sein. Man kann ohne Stimme schließlich nicht sprechen. Sie beeinflusst die Customer Experience genauso, wie andere CI-Maßnahmen. Denn Marken machen heutzutage nicht einfach nur Werbung. Um erfolgreich zu sein, müssen sie in einen authentischen Dialog mit der Zielgruppe treten. Die Corporate Language hilft, die grundsätzliche Wahrnehmung einer Marke als artifizell und konstruiert in persönlich und nahbar zu ändern.

Und deshalb werde ich nicht müde, darauf hinzuweisen, wie wichtig Corporate Language ist. Sie ist nicht abstrakt und geschmäcklerisch, sondern basiert auf der Markenpositionierung und der Markenpersönlichkeit. Sie ist konsequent strategisch, schafft Wiedererkennung und erleichtert die Kommunikation. Eine Corporate Language zu erstellen ist eine riesige Herausforderung, die mir ebenso riesige Freude bereitet. Denn hier kann man einer Marke wirklich das Sprechen beibringen, ihr Charakter verleihen und ihr eine Seele einhauchen… Vielleicht sagt sie ja irgendwann „Mama“ zu mir.

Über Mercedes Senderowicz

Mercedes ist Creative Director bei port-neo. Von Stuttgart aus betreut sie Kunden unterschiedlichster Branchen und haucht deren Marken mit ihrer redaktionellen Kompetenz Leben ein.