Strategie

22.11.2021

Die objektiv beste Marken­architektur

Unter einer Markenarchitektur versteht man grundsätzlich die Beziehung meist mehrerer Marken eines Unternehmens zueinander. Bestenfalls ist sie Teil einer bewusst entwickelten Kommunikationsstrategie. De facto ist sie häufig jedoch ein gewachsenes Gebilde von Marken. Weil durch neue (digitale) Kanäle Marken sehr viel präsenter werden, sind Gedanken zur Markenarchitektur unabdingbar. Das gilt insbesondere, wenn es mehrere Produkte, Marken oder gar Tochterunternehmen gibt. Die gute Nachricht: Es gibt für jedes Unternehmen eine objektiv beste Architektur.

Markenarchitektur

Grundmodelle der Markenarchitektur

Um die ideale Markenarchitektur zu identifizieren, muss man die grundlegenden Modelle kennen und wissen, welche Vor- und Nachteile mit ihnen einhergehen. So können Unternehmen ihr ideales Vorgehen bestimmen.

Grundmodelle der Markenarchitektur

House of Brands

Das House of Brands zeichnet sich dadurch aus, dass unter einer Unternehmensmarke, die selbst nur wenig oder gar nicht kommuniziert wird, viele Produktmarken oder Marken von Tochterunternehmen versammelt sind. Die Marken unterscheiden für gewöhnlich stark voneinander: etwa bei der Zielgruppe, den kommunizierten Brand Values sowie in Naming, Markenclaim und Design.

Das House of Brands ist vor allem bei FMCG (Fast Moving Consumer Goods)-Unternehmen mit breitem Produktportfolio eine sinnvolle und demnach weit verbreitete Strategie. Ein Beispiel für ein House of Brands ist Unilever. Zu Unilever gehören etwa Marken wie Dove, Axe, Knorr, Bertolli, Lipton, Domestos.

Branded House

Das Branded House bildet den Gegenpol zum House of Brands. Hier werden alle Produktmarken oder Tochterunternehmen auf Linie mit der Dachmarke bzw. dem „Haupt“-Unternehmen gebracht. Die Marken unterscheiden sich kaum voneinander.
Dienstleister und die Industrie aus dem B2B-Bereich nutzen häufig diese Markenarchitektur – etwa General Electric oder FedEx. Endkonsumenten, die qua Definition wenig Berührungspunkte zu B2B-Unternehmen haben, ist das natürlich oft nicht bewusst. Oft haben Unternehmen jedoch sowohl B2C- als auch B2B-Zweige. Tatsächlich stringente Markenarchitekturen können so schnell verwirrend auf Endkunden wirken – oder wisst ihr um den Zusammenhang von DB und Schenker?

Endorsed Brands

Unter der Bezeichnung Endorsed Brands versteht man Marken, die innerhalb einer Markenarchitektur sowohl Ähnlichkeiten zueinander als auch eine gewisse Eigenständigkeit aufweisen. Wichtig ist hierbei, dass es sich um einen graduellen Übergang vom House of Brands zum Branded House handelt, ein Graubereich.

Konkrete Möglichkeiten eine Ähnlichkeit zueinander zu schaffen und den Marken dennoch eine Eigenständigkeit zu gewähren, sind beispielsweise:

 

  1. Einbeziehen des Unternehmenslogos.
    Beispiel: Amazon – der Smiley-Pfeil bei Prime Video, Music Unlimited oder aws
  2. Gemeinsames Corporate Designs.
    Beispiel: Telekom – das markentypische Magenta, findet hier bei Telekom, T-Mobile, Magenta TV, Telekom Cloud statt.
  3. Namenselemente der „Haupt“-Marke.
    Beispiel: Nestlé – hier wird bei den Marken Nescafé, Nespresso, Nesquik oder Nestea das Nes von Nestlé verwendet.
  4. Unternehmensmarke als Zusatz.
    Beispiel: Ferrero – etwa bei Ferrero Küsschen, Ferrero Rocher.
Endorsed Brands

Welche Architektur für welches Unternehmen?

Wie bereits mehrfach angedeutet haben verschiedene Markenarchitekturen mehr oder weniger stark ausgeprägte Vor- und Nachteile. Insgesamt habe ich mehr als zehn Vor- und Nachteile identifiziert. Einen Vorgeschmack bietet meine Grafik. Bei der angedachten Markenarchitektur ist eine senkrechte, gerade Linie durch alle Aspekteskalen zu ziehen, um zu sehen, wie stark oder schwach Vor- oder Nachteile auf die Marken wirken.

Guckt man sich die Beispiele näher an, werden die Vor- und Nachteile klar.

Kosten für Kommunikation: Während ein House of Brands der Entwicklung und Kommunikation vieler Marken bedarf, können in einem Branded House kommunikative Maßnahmen konsolidiert werden: etwa ein gemeinsames Corporte Design, eine gemeinsame Website, ein gemeinsamer Social-Media-Kanal.

Imagetransfer: Besteht eine offensichtliche Verbindung zwischen zwei oder mehrerer Marken, färbt das Image der Marken untereinander ab. Ein Beispiel ist Nestlé. Das eigene Image ist (ob nun berechtigt oder nicht) nicht das Beste. Eigenmarken ohne den Namenszusatz können attraktiv werden: hier etwa San Pellegrino oder Wagner. Unternehmen mit einem guten Image legen hingegen häufiger Wert darauf, vom Transfer zu profitieren.

Positionierung: In einem House of Brands, in dem Marken zueinander keine Ähnlichkeit aufweisen, kann ich für neue Produkte frei wählen, ob sie an bestehende Marken anknüpfen. Man stelle sich nur vor, Unilever wäre ein Branded House: Würdet ihr gerne ein Deo von Domestos kaufen, oder ein Putzmittel von Knorr?

Aufbau eines Ökosystems:

Ein Grund für die Entscheidung von B2B-Unternehmen zugunsten einer Branded House-Strategie ist der Aufbau eines Ökosystems. Greifen verschiedenen Produkte und Dienstleistungen ineinander, so sind Kundinnen und Kunden leichter für Crosssellings zu begeistern. Das inhärente Versprechen ist eine optimale CX.

Die richtige Markenarchitektur ist für Unternehmen mit Tochterunternehmen oder mehreren Produkten die Basis für eine zielführende Kommunikationsstrategie. Dabei gibt es klare Vor- und Nachteile. Wichtig ist jedoch: Übergänge der Modelle sind fließend. Übergänge von Modell zu Modell häufig jedoch stockend. Das gesamte Team muss bei diesem Change mitgenommen werden. Wenn das jedoch professionell und basierend auf harten Daten sowie viel Empathie erfolgt, haben Unternehmen eine Menge zu gewinnen.

G. Förstner
Über Gilles C. Förstner:

Gilles ist als leidenschaftlicher Freizeit-Professor darauf bedacht, wissenschaftliche Erkenntnisse in Kommunikationsstrategien zu integrieren. Bei port-neo ist er als Customer Experience Consultant unter anderem in den Bereichen Marken- und Contentstrategie tätig und haucht seinen Zielgruppen- und Marktanalysen mit fundierten Daten Leben ein.