Strategie

26.08.2022

Wie Marketers Games als Touchpoint nutzen können

Games als Touchpoint

Die ein oder andere der folgenden Schlagzeilen hat man die vergangenen Jahren bestimmt schon einmal gelesen: Zum Beispiel, dass die alljährliche Gamescom mit annähernd 400.000 Besuchern zu den weltweit meistbesuchten Messen gehört. Oder dass die Gamingindustrie mit einem jährlichen Umsatz (2020) von etwa 160 Milliarden U.S.-Dollar alle anderen Medien- und Unterhaltungsbranchen (mit Außnahme der TV-Industrie) hinter sich lässt – etwa das Kino, die Buchbranche und auch die Abo-Streamingdienste. Neue Konsolen und Grafikkarten waren aufgrund der hohen Nachfrage (und des Chipmangels, mit dem sehr viele Branchen zu kämpfen hatten und noch haben) lange ausverkauft und sind es noch immer. Man erzählt sich, dass so manche:r Vorbesteller:in einer Playstation 5 nach über 1,5 Jahren noch immer auf ein Exemplar wartet.

Vom Nischenhobby zu einer der wichtigsten Industrien der Welt

Sogenannte Triple A Spieleproduktionen beschäftigen hunderte Mitarbeiter für viele Jahre und kosten teilweise mehr als 100 Millionen U.S.-Dollar. Die erfolgreichsten Games generieren über die Jahre mehrere Milliarden an Umsatz und das erfolgreichste Medien-Franchise Pokémon, ursprünglich nur ein Gameboy-Spiel, hat einen geschätzten Umsatz von 118 Mrd. U.S.-Dollar. Zusammengefasst: Aus dem vor einigen Jahren noch mit Skepsis beäugten Nischenhobby für Nerds ist eine der wichtigsten Industrien der Welt geworden.

Und trotzdem schenken Marketers etablierten Werbeformen wie Product Placements in Filmen (Quizfrage: Welche Uhrenmarke trägt James Bond?) und den klassischen TV-Spot (Quizfrage: Wohin geht man am besten, wenn man einen Steinschlag in der Windschutzscheibe hat?) noch immer eine größere Aufmerksamkeit. Zu selten sehen sie die Möglichkeit, Games als Touchpoints zu nutzen. Deshalb möchte ich in diesem Artikel einmal über die grundlegenden Werbemöglichkeiten in Games aufklären.

Mobile Games

Die größte Unterscheidung bei Games wird oft durch das Device selbst definiert. Aufgrund der geringeren Rechenleistung (inzwischen kein so ausschlaggebender Aspekt, aber historisch so gewachsen) und des kleineren Bildschirms unterscheiden sich Mobile Games für Smartphones deutlich von Konsolen und PC-Games.

Mobile Games sind oft durchkalkulierte Beschäftigungstherapien, die in die Form eines Spiels gepresst werden, um die Nutzer bei Laune zu halten. Und ja, oft macht es auch Laune, das ist Sinn der Sache. Man muss aber wissen, dass viele dieser Games eben einzig und allein den Zweck haben, Spieler durch psychologische Tricks am Bildschirm zu halten und durch verschiedene Monetarisierungsmechanismen so viel Umsatz wie möglich zu erzielen – Stichwort „Free-2-Play“. Viele Mobile Games kosten initial nichts. Um im Game aber (schnell) weiterzukommen, oder besser zu werden, muss Echtgeld ausgegeben werden, sogenannte Microtransactions. Das können mal 0,99 € sein oder vielleicht auch mal 2,99 €. Das lohnende Ergebnis motiviert Spieler dann dazu, immer noch ein bisschen mehr auszugeben und so kann durchaus was zusammenkommen.

Eine andere Möglichkeit mit Mobile Games Geld zu verdienen ist die meiner Meinung nach viel fairere Möglichkeit des In-Game-Advertising. Wie der Name schon sagt, werden Spieler im Game regelmäßig mit Werbung konfrontiert – diese kann verschiedene Formen haben, worauf ich später noch eingehen werden. Abschließend muss ich aber natürlich noch erwähnen, dass es auch viele ernsthaft liebevoll entwickelte und kreative Games fürs Smartphone gibt, unabhängig ihres Monetarisierungsmodells. Die fragwürdigere Konkurrenz macht es Konsumenten nur schwer, vorher zu wissen, um welche Art Game es sich handelt.

Konsolen und PC-Games

Die (meiner Meinung nach) zweifelsfrei spielerisch wertvollere Art von Games findet man häufiger auf der Konsole und für den PC. Ja, auch hier findet man Free-2-Play Games, die einen ähnlichen Ansatz verfolgen, wie die oben beschrieben Mobile Games. Das (noch) häufigere und etabliertere Monetarisierugsmodell ist hier jedoch: „Zahle einmalig 20 bis 70 € für das Game und du kannst es nach Belieben spielen, ohne Werbeunterbrechung und ohne, dass du während des Spielens noch Geld ausgeben musst.“

Ein Trend ist aber definitiv die Verschmelzung verschiedener Monetarisierungsmodelle. So findet man auch in großen Tripple A Produktion, für die man 70 € ausgeben muss, um diese zu spielen, immer häufiger sogenannte In-Game-Shops, in denen man für Echtgeld noch das ein oder andere Erwerben kann – oft nichts spielveränderndes, sondern vielleicht nur kosmetisch (zum Beispiel ein neues Outfit für die eigene Spielfigur). Randnotiz: Die Fussballsimulation FIFA von Electronic Arts (EA) begibt sich beim Thema Monetarisierung regelmäßig auf sehr dünnes Eis. Die Aufarbeitung würde jedoch den Rahmen sprengen.

Festzuhalten bleibt: Konsolen und PC-Games sind oft jahrelang mit Liebe entwickelte, wertvolle Produkte. Zwar hört man in letzter Zeit häufiger von schlechten Arbeitsverhältnissen, Überstundenmarathons vor einem Release (in der Branche als Crunch bezeichnet) und Burnouts in der Branche, gleichzeitig sind und bleiben Konsolen- und PC-Games aber die Speerspitze der Branche, wertvolle Produkte, oft sogar Kunstwerke der Unterhaltungsindustrie.

Werbeformen in Games

Im Folgenden möchte ich die verschiedenen Werbeformen in Games aufzeigen und deren Vor- und Nachteile benennen. Sicherlich ist der Verlauf zwischen den Werbeformen fließend und die Liste an Vor- und Nachteilen mag nicht vollständig sein. Um einen guten Überblick zu erhalten und die Relevanz deutlich zu machen, sollte es jedoch ausreichen. Marketer erkennen für die eigene Marke oder das eigene Produkt womöglich die ein oder andere Gelegenheit, den Touchpoint Game für sich zu nutzen.

Werbeunter­brechungen

Ähnlich wie im Fernsehen oder bei YouTube, werden Games an bestimmten Punkten unterbrochen (zum Beispiel nach dem Abschluss einer bestimmten Aufgabe). Der Spieler wird dann mit einem Video oder einer Display-Ad konfrontiert. Die Werbeflächen sind hier nicht statisch, sondern können dynamisch angepasst werden. Wie Display Ads oder Pre-Roll-Ads (Werbespots am Anfang eines YouTube-Videos) können Marketer diese Ads einbuchen. Diese Werbeform findet fast ausschließlich bei Mobile Games statt.

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Product Placements oder auch Statisches In-Game Advertising

Die Präsenz von Marken und Produkten in Games können diesem einen echten Mehrwert bieten. Dies gilt insbesondere bei Product Placements für Simulationen. Ob Fussballsimulation, bei der ich meinem Spieler immer die neuesten Adidas- oder Nike-Schuhe anziehen kann, oder Rennsimulation, bei der ich den neuen Porsche oder Ferrari fahren kann, bis hin zur Lebenssimulation Die Sims, bei der ich meine Wohnung mit den neuesten Ikea-Möbeln einrichten kann. Auch statisches In-Game Advertising funktioniert auf die gleiche Weise. Ähnlich wie Dynamic In-Game Advertising ist diese Werbeform näher an der klassischen Reklame und zeigt nicht das Produkt selbst, sondern nur eine Werbung für das Produkt oder die Marke. Der Unterschied besteht darin, dass dieses Werbeelement fix in das Game integriert ist und nicht ausgetauscht werden kann (außer durch eine Veränderung des Games durch einen Patch).

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Dynamic In-Game Advertising

Diese Werbeform ist die natürliche Weiterentwicklung von Werbeunterbrechungen wie oben beschrieben. Hierbei werden in der Spielwelt selbst Werbeflächen geschaffen, die sich mehr oder weniger natürlich in diese einfügen und von Marketers gebucht werden können. Um es ganz anschaulich darzustellen: Werbebanden im Fussballstadion. Hier machen die Werbebanden die Fussballsimulation noch realistischer, schließlich gibt es diese im echten Fussball ja auch. Ähnliches gilt für Rennspiele, aber auch für Games, in denen sich der Spieler durch eine Stadt bewegt und auch hier realistischerweise mit Werbeplakaten an Häuserfassaden konfrontiert wird. Ähnlich wie DOOH-Werbeflächen können auch diese virtuellen Werbeflächen von Marketern gebucht werden.  

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Creative Placements

Der weniger bekannte Begriff Creative Placement stammt wie das Product Placement eigentlich aus der Filmbranche und beschreibt eine besonders starke Form des Product Placements. Hier wird ein Produkt oder eine Marke kreativ und aktiv in die Handlung des Games oder des Films eingebaut. Ein Beispiel könnte sein – egal ob Game oder Film: Der Protagonist/Spieler hat den Auftrag, den neuen Prototypen eines Autos einer bestimmten Marke zu klauen und anschließend in einer Verfolgungsjagd der Polizei durch überlegene Technik und Leistung davonzufahren.

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Was hält die Zukunft bereit?

Vermutlich wird es immer mehr Marken- und Produktkommunikation in Games, sei es über Dynamic Advertising, Product Placement aber meiner Einschätzung nach auch verstärkt über Creative Placements geben. Die Vorteile von Games als Projektionsfläche für Markenkommunikation werden besonders in VR deutlich. Ja VR durchläuft derzeit den Hype Cycle mit besonders starken Amplituden. Vor 3 Jahren noch meinten manche, die VR-Brille würde das Fernsehen, das Reisen, soziale Interaktionen oder das Arbeiten in Real Life verdrängen. Dann kam Corona und es wurde still um VR (paradoxerweise) und wir waren im Tal der Enttäuschung angekommen.

Und dann – wie aus dem Nichts – die Verheißung eines Metaverse. Wer den Film Ready Player One von Steven Spielberg gesehen hat (oder das Buch gelesen hat), kann sich vorstellen, worauf das Metaverse hinauslaufen kann. Aus diesem Film stammt auch eine interessante, natürlich aus humoristischen Gründen übertriebene Aussage in Bezug auf Werbeeinblendungen im Metaverse „We think we can sell up to 80% of an individual‘s visual field before inducing seizures“. In diesem Sinne: GG.

G. Förstner
Über Gilles C. Förstner:

Gilles ist als leidenschaftlicher Freizeit-Professor darauf bedacht, wissenschaftliche Erkenntnisse in Kommunikationsstrategien zu integrieren. Bei port-neo ist er als Customer Experience Consultant unter anderem in den Bereichen Marken- und Contentstrategie tätig und haucht seinen Zielgruppen- und Marktanalysen mit fundierten Daten Leben ein.