CX LOUNGE Transkript #02

Analog und digital gelebte CX

Zusammenfassung der Folge

CX hat in der Finanzbranche einen hohen Stellenwert: Banken bedienen ihre Kundinnen und Kunden auf digitalen und analogen Kanälen – wie etwa der Filiale. Die Sparda-Bank Baden-Württemberg brachte beides in Einklang und wurde damit zum digitalen Vorreiter der Branche. Wie hat sie das erreicht? Was ist wichtig bei der Implementierung neuer Technologien? Und welche Rolle spielt das Wohlergehen der Mitarbeitenden bei einem gelungenen Kundenerlebnis? Wir geben Einblick in den Wandel der Finanzbranche.

Sprecher:
Kai Vorhölter x
Prof. Dr. Waldemar Pförtsch x Andreas Küchle

Kai Vorhölter

Herzlich willkommen zur CX Lounge! Mein Name ist Kai Vorhölter, Geschäftsführer und Gründer der port-neo Group. Heute bei mir zu Gast: Andreas Küchle –

Andreas Küchle

Hallo!

Kai Vorhölter

– Head of Marketing von der Sparda-Bank, Baden-Württemberg. Und mit mir im Studio, wie immer, mein Co-Host: Prof. Dr. Waldemar Pförtsch.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Freut mich, hier zu sein.

Kai Vorhölter

Super! Steigen wir doch gleich ein. Heute wollen wir uns das Thema Customer Experience im Finanzbereich/Banken anschauen und, Andreas, wenn man da so auf deinen Lebenslauf schaut, es gab zwar eine kurze Station, da warst du tatsächlich mal in unserer Branche, aber so im Großen und Ganzen bist du ja doch der Finanzbranche sehr treu geblieben, bereits mit deiner Ausbildung, ganz früh. Dann hast du auch sehr viele verschiedene Produktbereiche, Player kennengelernt – von Banken, aber auch Versicherungen, zur Bausparkasse, jetzt wieder Bank. Das heißt, offensichtlich scheint dir die Branche zu gefallen.

Da einfach mal die direkte Frage zum Einstieg: Was reizt dich an der Finanzbranche?

Kai Vorhölter

Herzlich willkommen zur CX Lounge! Mein Name ist Kai Vorhölter, Geschäftsführer und Gründer der port-neo Group. Heute bei mir zu Gast: Andreas Küchle –

Andreas Küchle

Hallo!

Kai Vorhölter

– Head of Marketing von der Sparda-Bank, Baden-Württemberg. Und mit mir im Studio, wie immer, mein Co-Host: Prof. Dr. Waldemar Pförtsch.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Freut mich, hier zu sein.

Kai Vorhölter

Super! Steigen wir doch gleich ein. Heute wollen wir uns das Thema Customer Experience im Finanzbereich/Banken anschauen und, Andreas, wenn man da so auf deinen Lebenslauf schaut, es gab zwar eine kurze Station, da warst du tatsächlich mal in unserer Branche, aber so im Großen und Ganzen bist du ja doch der Finanzbranche sehr treu geblieben, bereits mit deiner Ausbildung, ganz früh. Dann hast du auch sehr viele verschiedene Produktbereiche, Player kennengelernt – von Banken, aber auch Versicherungen, zur Bausparkasse, jetzt wieder Bank. Das heißt, offensichtlich scheint dir die Branche zu gefallen.

Da einfach mal die direkte Frage zum Einstieg: Was reizt dich an der Finanzbranche?

Andreas Küchle

Na ja, das Schöne an der Branche ist eigentlich, dass sie sich in jedem Lebensalter und jedem Lebenszyklus widerspiegelt. Es beginnt mit der Geburt und endet im hohen Alter. Und man hat eigentlich immer mit der Finanzbranche zu tun, und es geht immer darum, Lösungen zu finden, wie man seine finanziellen Gelegenheiten in der jeweiligen Situation lösen kann. Und das fand ich schon immer ganz spannend. Und es ist eine Dienstleistungsbranche. Ich liebe Dienstleistung und da hat beides zusammengepasst. Es war inhaltlich spannend, interessant, bei weitem nicht so dröge, wie die meisten von außen denken. Und dann hat es auch noch sehr viel mit Menschen zu tun. Und das war auch mein Thema dabei.

Kai Vorhölter

Also Dienstleistung ist ein super Stichwort. Es geht ja um Customer Experience hier in unserer CX Lounge und da geht es bekanntlich immer mehr darum, über das Produkt hinauszuschauen und in Richtung Dienstleistung zu gehen. Aber da kommen wir sicherlich gleich noch dazu.

Was ich vielleicht auch noch mal erwähnen sollte, du warst ja auch sechs Jahre lang ehrenamtlich Präsident des Marketing Club Stuttgarts. Das heißt, du hast dich insgesamt auch für die Branche sehr engagiert und da hast du, glaube ich, natürlich auch noch mal in viele Felder reinschauen können. Gibt es da etwas, was du dir aus der Zeit noch mitnimmst?

Andreas Küchle

Ja, sehr viele gute Gespräche. Ich glaube, das ist für unsere Branche eigentlich das Elementare und das ist auch das, was wir hier heute machen: Der Austausch in einer sich immer schneller bewegenden Branche, in einem Umfeld, wo eigentlich kein Tag vergeht, ohne dass man was Neues dazu lernen kann. Und da, glaube ich, ist das Lernen von Gleichgesinnten ein ganz entscheidender Schlüsselfaktor, wobei man sich eben einfach vorbereiten kann für die Zukunft, für seine eigene Branche. Und gerade im Marketing Club treffen sich eben genau die Menschen, die sich für Marketing interessieren, die sich für Kundenmanagement interessieren, die sich für Customer Experience interessieren und für alle Themen, die man eben rund um unsere Branche so haben kann. Und insofern, finde ich, ist das eine exzellente Plattform, um sich da einfach assured zu halten, aktuell zu halten und vielleicht auch mal selber zu reflektieren. Ich glaube, das ist manchmal auch ganz gut, wenn man das jetzt als Marketingmensch tut.

Kai Vorhölter

Absolut. Das ist ja auch unser Anliegen mit der CX Lounge, dass wir genau das auch schaffen wollen, also neue Meinungen, Perspektiven reinbringen. Dementsprechend nochmal: Super, dass du da bist.

Waldemar, auch mal ein erstes Statement deinerseits, die Finanzbranche ist ja per se gerade auch nicht die einfachste Branche?

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Diese Branche ist im kompletten Wandel. Ich kann mich noch an mein erstes Customer-Experience-Erlebnis erinnern, als die Sparkasse, als ich noch nicht in der Schule war, mir ein Schweinderl gegeben hat, mit fünf Mark drin damals, und das Sparbuch dazu. Und ich kann mich erinnern, das war für mich ein Erlebnis. Die kamen in den Kindergarten, jeder hat ein Schweinderl bekommen, die Namen wurden aufgeschrieben und die Sparbücher ausgehändigt.

Heute geht alles digital. Das ist natürlich eine völlig andere Form der Customer Experience und die Finanzbranche ist noch nicht am Ende, sie ist ja in der Digitalisierung eigentlich total – sagen wir mal, das ist die Essenz davon, weil das Geld keine physische Größe braucht. Früher hat es die gebraucht, heute braucht es die nicht mehr und deswegen wird auch jede Form von Customer Experience völlig anders sein, als sie es gestern war. Und damit muss man fertig werden und ich denke, die Branche kämpft schwer damit.

Wir haben natürlich auch eine Branche, die sehr vielfältig ist, die kulturell unterschiedlich ist. Wir haben die Europäer, die Amerikaner und dann auch die Chinesen. Da kommen unterschiedliche Aspekte zusammen. Deswegen ist das eine echte Herausforderung, was Customer Experience betrifft.

Kai Vorhölter

Wenn wir schon über CX-Momente sprechen, bevor wir komplett in die Bankenbranche einsteigen, gibt es so einen, bei dem du persönlich sagst: „Das war mal richtig cool. Das hat mich begeistert, bewegt als Konsument oder User.“?

Andreas Küchle

In der Tat gibt es einen. Ich habe so eine kleine Lovemark für mich, nämlich Edeka. Und ich finde, die haben in der Kommunikation, in der Marke etwas geschaffen, was die Menschen vor Ort in den Märkten ganz toll widerspiegeln. Und für mich war das schon ein sehr schönes Momentum, dass ich das, was ich in der Werbung gesehen habe, dann auch tatsächlich im Laden wiedergefunden habe. Man sucht etwas, man steht ein paar Meter davor, man bekommt trotzdem ein Lächeln und man wird hinbegleitet und es wird freundlich gesagt: „Kein Problem. Melden Sie sich ruhig wieder, wenn sie etwas haben.“ Genauso wie man es in der Markenkommunikation erlebt. Und das finde ich bei der Marke besonders gut, weil es ja eigentlich auch eine Genossenschaft ist und damit ja ganz unterschiedliche Eigentümer hat und damit auch unterschiedliche Kulturen in den Märkten vorherrschen und es dann über eine zentrale Markenbotschaft zu schaffen, in den einzelnen Märkten das widerzuspiegeln, das finde ich große Klasse und das hat mich als Marketier sehr gefreut und als Kunde auch. Und wenn ich etwas nicht weiß, frage ich ganz einfach bei denen.

Kai Vorhölter

Cool! Da freue ich mich natürlich auch für die Kollegen aus der Branche, die das verantwortet haben. Und ich glaube, das zeigt ja auch den Wandel, den das Marketing seit einigen Jahren verstärkt nimmt, nämlich dass es weit mehr darum geht nicht nur vordergründig irgendein Angebot in den Markt zu tröten, sondern dass es wirklich um eine Haltung geht, die sich auch in der Werbekommunikation niederschlägt.

Andeas Küchle

Das zeigt noch etwas Weiteres. Es zeigt auch den Anspruch des Marketings, den wir vielleicht viel öfter formulieren sollten, den Leader-Anspruch des Marketings in Unternehmen. Dass eben über Markenbotschaften, über die Positionierung auch ein Wandel in der Organisation selber stattfinden kann.

Und ich bin mir ganz sicher, der Mitarbeiter, in seiner Freundlichkeit, in seinem Ausdruck, den ich erlebt habe, hätte das vermutlich nicht so bewusst und so selbstverständlich gemacht, wenn es eine andere Kommunikation gegeben hätte dazu, sondern er hat sich identifiziert und er hat das gelebt, was ihm die Marke gegeben hat. Und da, glaube ich, können wir Marketiers sehr viel mutiger nach vorne laufen.

Kai Vorhölter

Da sprichst du ein sehr wichtiges Thema an. Dieses Postulat gibt es ja schon länger, dass man sagt, Marketing muss eigentlich eine viel wichtigere, übergreifendere Rolle im Unternehmen einnehmen. Und das Thema Customer Experience, was ja nicht nur die Kommunikation selber betrifft, sondern auch das Service-Offering, den Vertrieb, aber auch die Produktentwicklung, macht das glaube ich umso notwendiger. Da vielleicht mal kurz den Blick aus deiner Forschungs- und Universitätssicht, siehst du das so gegeben, dass die Rolle des Head of Marketing oder nennen wir ihn vielleicht sogar Customer Experience Officer, überhaupt in Unternehmen so eine Stellung hat?

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Ja, wir haben da ein Riesendefizit. Wenn ich jetzt allein die Liste der Chief Marketing Officers in Deutschland durchgehen würde, dann ist die Zahl relativ klein und wenn, dann sind es irgendwelche kleinen Unternehmen, Agenturen, Software und so weiter. Also, nicht beim Daimler, nicht beim Siemens. Beim GE gibt es das, bei IBM gibt es das, die Amerikaner sind da viel weiter. Und die Grundfrage, die Andreas hier gestellt hat – Welche Rolle hat das Marketing? – ist natürlich schon eine schwierige, speziell für die Finanzbranche. Ich kann mich noch erinnern, als bei der Stuttgarter Bank im Keller noch der BS1000-Rechner stand und da nix geändert wurde, weil der das Running Horse war. Dann haben sie den laufen lassen, bis es gar nicht mehr ging.

Jetzt sind wir natürlich bei einer Technologie, bei der die Veränderung permanent ist. Die Rolle des Marketings muss eine andere sein, weil die Rolle der Technologie eine andere ist. Wenn ich bei anderen Einrichtungen, wenn ich jetzt bei der Bank bin, das den CIO machen lasse, dann hat der natürlich einen anderen Blickwinkel zum Kunden, als wenn ich das den CMO machen lasse.

Andreas Küchle

Ich denke, es ist immer ein permanentes Ringen in den unterschiedlichen Einheiten um die beste Lösung. Wenn man sich als Marketier sofort nur auf die Ausgestaltung in Text, in Bild, in Wort, in Marke zurückzieht und das Geschäftsmodell als solches nicht zum Kern seiner Arbeit zählt, dann kommt genauso ein Ergebnis raus. Es ist tatsächlich so, dass in vielen Unternehmen Marketiers eher aus einer kommunikativen Ecke kommen, aber nicht aus der Branche selbst. Du hast vorher gesagt: „Du bist ja irgendwie schon ganz schön lange in der Branche.“ Ja, weil ich aus der Branchenexpertise herauskomme und aus der Branchenexpertise heraus Marketing mache. Jemand, der das rein aus einer kommunikativen oder angelernten Situation heraus macht, kann die Unternehmen nicht im Geschäftsmodell mittreiben oder entwickeln. Und damit wird seine Rolle eine andere.

Die Bankenbranche, die Finanzbranche ist tatsächlich eine sehr regulierte Branche. Wir haben sehr, sehr viele gesetzliche Vorschriften, die wir einhalten müssen und von denen eben im Wesentlichen auch die Zulassung als Unternehmen abhängt. Bei anderen Unternehmen, in anderen Branchen werde ich per Entscheidung zu einem Vorstand, bei der Finanzbranche ist es so, dass man eine Zulassung bekommen muss. Und die Zulassung hat nicht das Marketing als Kriterium, sondern eben regulatorische, bankfachliche Themen, juristische Themen, Compliance, MaRisk, Risikomanagement als Kriterien. Und deswegen findet man in der Finanzbranche auch relativ wenig Marketingmenschen im Vorstand.

Kai Vorhölter

Ich glaube, Andreas, du bist da ein sehr schönes Beispiel von jemandem, der seinen Arbeitsbereich deutlich weiter fasst. Du treibst sehr viel auch beim Thema Technologie, in Verbindung mit Marketing und Kundenorientierung, voran. Da sprechen wir gleich noch mal drüber.

Ich würde gerne noch einen allgemeinen Blick auf die Banken und die Finanzbranche werfen. Allgemein, du bist ja als Vertreter der Banken hier, steht ihr ja wirklich in mehrfacher Weise gerade unter gewissem Stress. Auf der einen Seite gibt es das äußere Umfeld mit Niedrigzinsen, es gibt aber natürlich auch die Fintechs, NeoBanken die extrem kapitalisiert in den Markt gehen, die natürlich auch keine Legacy haben, das heißt, nicht den alten IBM-Rechner, den du gerade erwähnt hast, im Keller stehen haben, –

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Siemens-Rechner!

Kai Vorhölter

– sondern natürlich auch den Vorteil haben, dass sie alles auf der grünen Wiese aufbauen können, damit natürlich auch zu geringeren Kosten eine modernere Infrastruktur. Wie ist da dein Blick gerade auf die Branche?

Andreas Küchle

Na ja, wir haben ein Riesenpotenzial erst mal, das sollten wir uns auch nicht schlechtreden lassen. Unser Riesenpotenzial ist: Wir haben eine wahnsinnige Erfahrung in einer Branche und wir haben einen sehr, sehr großen Kundenstamm, den wir nicht neu gewinnen müssen, sondern den wir schon haben. Das sollte man nicht vergessen.

Kai Vorhölter

Und auch einen Vertrauenskanal.

Andreas Küchle

Auch einen Vertrauenskanal, natürlich. Und auch schon Erfahrungen und vielleicht auch schon die eine oder andere hoffentlich positive Customer Experience zwischen Unternehmen und Kunden. Und wahrscheinlich sind wir sogar schon ein sehr langjähriger Wegbegleiter, wenn man mal an das Thema Baufinanzierung denkt, dann sind es eben Vertrauensbeziehungen, die da entstanden sind, die bei einem Privatkunden auch eine gewisse Tragfähigkeit haben. Das ist die eine Seite, das ist gut.

Auf der anderen Seite hast du auch schon ein paar Sachen angesprochen, die die Schwierigkeiten darstellen. Wenn ich jetzt mal das Thema Marke oder Customer Experience anschaue, dann haben wir, zumindest im Privatkundengeschäft, ein sehr heterogenes Geschäft und sehr heterogene Kunden, sehr unterschiedliche Kunden, die in immer schnellerer Geschwindigkeit auch ihre eigenen Ansprüche anpassen, oder lernen, oder ihr Verhalten verändern. Manche Konkurrenten von uns, die NeoBanken, wobei ich die nicht zwingend als Konkurrenten, sondern eher als Marktteilnehmer im Sinne von –

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Eine andere Nische.

Andreas Küchle

– einer Nische betrachte, die bedienen ein bestimmtes Klientel und sie treffen für dieses Klientel den Nerv der Zeit in einem bestimmten Kundenprozess. Aber sie haben in der Regel nicht den kompletten Kundenprozess und sie haben auch nicht das Thema Unterschiedliche Lebensphasen. Und das ist die Komplexität, die wir Banken dann als Traditionsunternehmen spüren, dass wir eben verschiedene Generationen, auch verschiedene Vorlieben bedienen müssen und das gleichzeitig. Und die wechseln. Und wir müssen erkennen, wenn sie wechseln. Und wir müssen dann rechtzeitig beim Kunden sein, um genau diesen Wechsel mitbegleiten zu können.

Kai Vorhölter

Jetzt hast du ja gerade zurecht gesagt, Kundenbedürfnisse wandeln sich und es geht darum, zu erkennen, wenn sich das Bedürfnis wandelt. Das war ja früher als Bank recht einfach, denn da hat man ja einen Berater gehabt und die Kunden sind auch regelmäßig in die Filialen gekommen. Dann konnte ich sie ja im wahrsten Sinne des Wortes „sehen“.

Wie läuft das heute?

Andreas Küchle

Der Kontaktpunkt in der Filiale, oder der persönliche Kontakt, der ist natürlich viel geringer als früher. Früher war es ausschließlich der persönliche Kontaktpunkt. Heute ist es schon etwas vielschichtiger. Die Menschen machen ihre Finanzgeschäfte per App, im Internet, per Telefon, manchmal per Zuruf, manchmal an den Automaten, die wir ihnen zur Verfügung stellen, manche dann aber doch auch wieder in der Filiale und das auch noch wechselnd, bei unterschiedlichen Begebenheiten. Also, ich würde sagen: Sehr komplex, dieses Gebilde.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Und schneller Wandel.

Andreas Küchle

Und schneller Wandel. Und du kannst heute auch nicht mehr sagen, jemand, der bisher noch nie in der Bank war – sein Konto eröffnet hat über einen digitalen Prozess – kommt morgen nicht in die Bank. Es kann morgen eine Situation eintreten, wo er sagt: „Und jetzt möchte ich aber doch mit jemandem reden. Jetzt muss ich – oder möchte ich – mit jemandem reden“. Jemand, der vorher gesagt hat: „Ich würde nie in eine Bankfiliale laufen“, kommt an den Punkt, an dem er sagt: „Aber jetzt brauche ich jemanden, mit dem ich darüber reden will.“ Du musst permanent darauf vorbereitet sein, dass jeder Kunde jeden Kanal nutzt. Und das Spannende dabei ist, zu erkennen, wann er, zu welchem Zeitpunkt, in wechselnden Zeitfolgen, welchen Kanal für den Bevorzugten hält.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Aber es ist ja kein Hexenwerk, denn es ist ja nachzuvollziehen. Ich habe jetzt konkret ein Beispiel: Mein Sohn ist N26-Kunde und ist ganz happy, hat da sein Konto. Jetzt kauft er eine Wohnung und N26 kann gar nicht liefern. Also muss er zur lokalen Bank, in dem Fall eine Volksbank aus der Steinzeit.

Andreas Küchle

Die aber wahrscheinlich eine gute Beratung und eine gute Baufinanzierung haben.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Die hat eine gute Baufinanzierung und eine gute Beratung, aber die Digitalisierung funktioniert nicht. Das heißt, da gibt es den Clash. Ich will eigentlich meine Baufinanzierung genauso wie mein Konto bedienen und es geht nicht. Und jetzt sehe ich hier die Opportunity, die Chancen, wenn ich als Bankier schnell genug bin mit meiner Technologie, aber auch in meiner Kundenansprache, dann habe ich die Chance, diese Abtrünnigen einzufangen oder die bestehenden Kunden dahin zu führen.

Andreas Küchle

Und du kannst an der Stelle bei deinem Sohn immer noch nicht sicher sein, dass er nicht Teile dieser Baufinanzierungsberatung doch wieder digital machen wollte. Und das sind genau die Themen, diese hybriden Ansätze in der Kundenprozesskette, auf die wir eingehen müssen. Wir haben für uns vor anderthalb Jahren eine neue Anwendung – „Baufi“ nennt sich das – auf den Markt geworfen und bieten unseren Kunden damit von der Angebotsphase über die Abwicklung bis hin zur Auszahlung eine digitale Prozesskette für die Baufinanzierung. Aber, und das ist das Entscheidende dabei: immer auch mit der Möglichkeit, einen Berater hinzuzuziehen. Und der Prozess geht aber digital weiter.

Und das sind dann so Dinge, bei denen man anfängt. Wobei so etwas auch nicht einfach ist, das sei vielleicht auch mal gesagt. Du hast so einen Prozess und dann musst du erst mal einen Kunden finden, der sagt: „Ja, wie? Ich soll jetzt alles mit meiner App machen?“ Dann probieren das die ersten Kunden und die ersten finden es gut und dann finden es auch die ersten Berater gut. Das ist ja dann auch wieder nach innen gerichtet. Also, auch die Berater finden es dann gut, weil der Kunde es gut findet. Und dann ist das ein Entwicklungsprozess und am Ende steht eine fertige Prozessstrecke da, die aber auch wieder nur solitär für diesen einen Prozess dasteht. Und was passiert mit dem nächsten Prozess?

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Dann hast du Aktien, dann hast du Bitcoins …

Andreas Küchle

Da merkt man, das war jetzt für den einen Prozess schon eine vielschichtige, komplexe Geschichte. Und jetzt kommt der zweite, dritte, vierte, fünfte, sechste, …

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Na gut, aber der Kunde erwartet es einfach, weil er in seinem heutigen digitalen Leben da schon ein Stück weiter ist. Er hat kein Radio mehr, sondern er hört über sein Handy. Er schaut kein Fernsehen mehr, sondern er schaut Netflix. Warum soll die Bank nicht denselben Weg gehen?

Andreas Küchle

Ja, das ist interessant, was du sagst. Wenn du das Thema Radio nimmst, analog und digital, da haben wir eine ähnliche Situation. Oder nehmen wir mal die Zeitungen, die haben eine ähnliche Situation. Und immer ist die Frage dahinter: An welcher Stelle ist das Geschäftsmodell noch verdienfähig? An welcher Stelle kann ich mit diesem neuen Geschäftsmodell, mit diesen neuen Prozessen denn dann auch noch einen Mehrwert beibringen, sprich Geld verdienen als Unternehmen? Und diese Dimension, die muss man irgendwo auch noch ein Stück weit mitbetrachten.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Umgekehrt, man muss die erkannt haben. Denn wenn ich kein Geld verdiene, dann bin ich morgen nicht mehr da.

Kai Vorhölter

Was natürlich aber auch der Fall ist, in Sachen Standards: Wir reden immer davon, der Kunde vergleicht dich ja längst nicht mehr mit anderen Banken, sondern er hat die Amazon- oder Whatever-Usability im Kopf und sagt: „Das erwarte ich natürlich von meiner Bank genauso.“ Was aber ja auch der Fall ist: In den einzelnen Produktsparten, die so unterschiedlich sind, wie du sie beschrieben hast, wirst du natürlich auch immer gegen den Benchmark gematcht.

Also, aus meiner persönlichen Erfahrung: Ich bin Deutsche-Bank-Kunde. Die sind ja als Bank mit ihrer Banking-App durchaus prämiert und bieten auch, würde ich sagen, eine gute Experience. Aber geh da mal in die Portfolioverwaltung, das ist wirklich Steinzeit im Vergleich zu den NeoTraders. Was da mittlerweile alles Usus ist, was ich mir an Statistiken anzeigen lassen kann, wie ich die Trades ausführen kann. Das heißt, hier merkt man auch: diese Investitionen, die notwendig sind, die du angesprochen hast, die sind natürlich gewaltig.

Andreas Küchle

Jetzt kommen wir zu einer ganz spannenden Fragestellung, die gar nicht mehr so viel mit Marketing zu tun hat, aber am Ende eben doch wieder: Jetzt habe ich auf der einen Seite eine regulierte Branche, die in einem Hochsicherheitstrakt – so nenne ich jetzt mal ihr Backend – das Banking und den Zahlungsverkehr in einem ganz sicheren, geschlossenen Kreislauf darstellen muss. Und ich habe auf der anderen Seite sehr viel schnellere Kundenkontaktpunkte, die sich mit immer höherer und immer schnellerer Geschwindigkeit weiterentwickeln und verändern. Und diese beiden Geschwindigkeiten, Regulatorik, Stabilität, permanente Verfügbarkeit versus Innovationskraft, das ist etwas, was in der technischen Landschaft eines Bankrechenzentrums hin und wieder doch zu Konflikten führt, was die Investitionsmittel angeht.

Darein? Das neue Urteil, das neue Gesetz umsetzen, regulatorisch, mandatorisch, muss sofort gemacht werden! Versus: Innovation! Müsste eigentlich auch sofort gemacht werden. Die Kapazitäten sind aber gebunden. Und diese Diskussion haben wir in unserer Branche eigentlich permanent. Dort eine Lösung zu finden, ist überhaupt erst mal die Chance, vorne schneller reagieren zu können.

Kai Vorhölter

Wenn wir über Touchpoints in der Bank sprechen: Es gibt ja multiple Kanäle über die ganze Lifetime hinweg – gibt es da ein paar entscheidende, von denen ihr sagt, „die müssen wir auf jeden Fall beherrschen“?

Andreas Küchle

Ja, aber das sind jetzt nicht wirklich die ganz großen Überraschungen. Dass man den mobilen Touchpoint beherrschen muss, ist klar. Dass man im Netz präsent sein muss, ist klar. Dass man im Researchbereich im Internet präsent sein muss, wenn ein Kunde sich informiert und eben entsprechenden Content abruft, um Informationen zu bekommen, sich vorzubereiten auf eine Entscheidung, das ist auch klar.

Ich glaube aber, im Wesentlichen ist es nachher das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Touchpoints, die eigentlich das Gesamterlebnis ausmachen. Ich glaube nicht, dass es einzelne Touchpoints sind. Man versucht ja sehr oft, das Thema User Experience in einzelnen Touchpoints zu untersuchen. Das ist bestimmt richtig. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Das ist gut und wichtig. Entscheidend wird aber die Customer Experience über die kompletten Prozessketten sein und nicht im einzelnen Kanal. Und wie wir jetzt vorher schon herausgearbeitet haben, sind es eben mehrere Kanäle, die parallel und synchron laufen müssen. Und das ist das Entscheidende und der entscheidende Vorteil, den man sich erarbeiten kann. Aber das ist tatsächlich auch, finde ich, ein harter Job.

Ich würde nicht sagen, dass da jemand schon am Ende ist, oder dass wir da schon am Ende sind. Um Gottes Willen, da sind wir ganz am Anfang. Und ich würde auch sagen, dass die Branche da noch ganz viel Potenzial hat. Und auch die ganzen Banken, die uns da Feuer machen, sind immer nur in ihrem einzelnen Silo. Wie gesagt, die Herausforderung ist, überall diese Silos in einem kompletten Lifecycle zusammenzuführen und entsprechende Touchpoints zu generieren.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Die kritische Frage bei den Touchpoints ist natürlich auch: Wie viel echte menschliche Touchpoints brauchen wir? Und welche? Und welche Leute brauchen wir? Und wie wollen die Leute behandelt werden?

Andreas Küchle

Das ist hochspannend bei uns, ich kann da ganz aktuell sagen: Im letzten Jahr hatten wir ja auch die eine oder andere Einschränkung durch die Pandemie und hatten da doch sehr, sehr viele Beratungen, die dann auf einmal doch über Screensharing funktioniert haben, die dann eben da die menschliche Komponente über das Endgerät übertragen haben. Aber man hat sie trotzdem. Man konnte wählen. Komme ich in die Bank oder mache ich es per Screensharing? Und das ist etwas anderes als eine Videoberatung. Eine Videoberatung ist wieder etwas, was hochprofessionell ausschließlich im Videostream angeboten wird. Screensharing ist etwas, wobei ich den direkten Draht zum Berater, den ich aus der Filiale kenne, habe. Also da ist der Berater sozusagen „vor Ort“.

Fast alle unsere Berater im Anlage- und Baufinanzierungsgeschäft sind ausgestattet mit Screensharingplätzen, sodass sie mit dem Kunden direkt am Bildschirm arbeiten und ihm das Angebot direkt auf den Bildschirm senden können. Oder die Kunden können in die Filiale kommen.

Kai Vorhölter

Ich kann euch sagen, da seid ihr dem einen oder anderen Mitbewerber auf jeden Fall voraus, wenn ich sehe, dass da renommierte Konkurrenten teilweise noch damit ringen, überhaupt eine Videokonferenz abzuhalten, so erschreckend das ist.

Andreas Küchle

Das ist auch kein Selbstläufer, denn du musst erst mal die Leute finden, die das am Anfang machen. Und dann gibt es wieder Vorreiter, die eben den Mut haben und sagen „Ich probier das jetzt mal aus“, und die stellen dann fest, der Kunde findet es gar nicht so schlecht.

Kai Vorhölter

Mir ging es auch ganz gut dabei.

Andreas Küchle

Mir ging es auch ganz gut dabei. Und auf einmal entwickelt sich das weiter. Ich glaube, diesen Raum, den sollte man in jedem Projekt auch immer ein Stück weit mit einplanen, damit die Protagonisten die Chance haben, diese Veränderung, diesen Change mitzulaufen.

Kai Vorhölter

Super. Jetzt ist ja das Management dieser Touchpoints, dieser einzelnen Experiences nur noch mit Technologie machbar. Ihr seid ja jetzt auch da schon Vorreiter, eines der Aushängeprojekte auch von SAP, was die SAP-Marketing-Cloud betrifft. Magst du da mal ausführen, was ihr da bisher gemacht habt? Was hat schon funktioniert? Wie ist eure Vision?

Andreas Küchle

Ja, spannend an der Geschichte war eigentlich die Idee von Anfang an. Wir haben uns überlegt, nicht nur die Sparda-Bank Baden-Württemberg, sondern die ganze Gruppe der Sparda-Banken, wie wir es denn schaffen, diese Kanäle besser miteinander zu verknüpfen. Und überhaupt: Dieses Kundenbedürfnis, das wir gesehen haben. – Du hast vorher Amazon genannt. Klar, wenn ich einmal bei Amazon einkaufe und ich bekomme nach einer halben Minute oder dreißig Sekunden noch keine Bestätigungsmail, dann werde ich nervös. Mach das mal bei der Bank! Da reden wir dann im besten Fall über Minuten, aber es können schon auch mal Stunden oder Tage werden, bis da eine qualifizierte Antwort kommt. Und das ist schon ein Problem, weil die Leute es anders gewohnt sind und wir da hinterherhinken, was unseren Service angeht. Und wir haben das Thema dann als CRM-Projekt definiert. CRM war eigentlich ganz clever, denn das hat jeder schon gekannt und es hat jedem eingeleuchtet, dass man CRM braucht. Was wir dann gemacht haben, ist, dass wir in dem Projekt der Handelnden, also der operativen Leute, erarbeitet haben, was wir unter CRM verstehen und das war dann tatsächlich neu. Das war dann nämlich so umfassend, dass wir gesagt haben: „Na ja, wir wollen eigentlich im Zielbild eine Eins-zu-Eins-Kommunikation herstellen können, über alle Kanäle, möglichst in Echtzeit.“

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Ganz schön anspruchsvoll!

Andreas Küchle

Das war mal die Idee. Da sind wir ein bisschen weg davon, denn man kommt natürlich im Verlauf eines Projektes dann auch an technische Restriktionen oder einfach an Grenzen. Ja, man kommt einfach auch an Grenzen, das ist so. Aber den Anspruch als solches, den fanden erstmal alle toll und das war dann die Ausschreibung. Dann haben wir uns da viele Anbieter angeschaut. Wir haben aber auch schnell gemerkt, wenn wir über alle Kanäle reden, dann reden wir nicht nur über digitale Kanäle. Die meisten Leute denken bei Realtime-Marketing und CRM ausschließlich an digitale Kanäle. Wir haben aber noch unsere Filialen, wir haben Berater, wir haben Menschen, wir haben physische Kanäle. Das zu verknüpfen mit einer digitalen Welt, das war ganz spannend. Ja, und das war auch die größte Herausforderung.

Übrigens, da sind auch die meisten Anbieter dann gescheitert und dann fiel die Wahl auf SAP, weil die eben eine Lösung hatten, die genau das konnte. SAP weiß auch, dass wir sie eigentlich am Anfang nicht auf dem Radar hatten. Da war der Marketing Club hilfreich. Über den Marketing Club habe ich deren System mal gesehen und gesagt: „Eigentlich müssten die das vielleicht auch können.“ Dann habe ich sie gefragt und die haben gesagt: „Ja, eigentlich können wir das.“ Und da sind wir ins Gespräch gekommen. Aber auch da wieder: Die Marke SAP hat nicht verkörpert, dass sie das können. Und wenn doch, dann vermutlich teuer. Es war dann aber doch überraschenderweise anders. Sie haben es gekonnt und zwar sehr gut und auch nicht so übermäßig teuer, dass man sagen musste: „Das können wir uns gar nicht leisten.“ Und heute haben wir ein System – das war deine Ausgangsfrage – heute haben wir ein System, für das wir uns zwei Cloudsysteme lizenziert haben: Die Sales- und die Marketing-Cloud. Beide sind ja auf dieser C4HANA-Plattform integriert, über die wir alle unsere Kanäle laufen lassen.

Ich hatte vorher mal kurz dieses Thema Backend, Regulatorik, Stabilität, Sicherheit versus Innovationskanäle, also Frontend angesprochen. Wir haben, wenn man sich dieses Zweierbild so vorstellt, in die Mitte diese Coreengine von SAP gestellt. Das heißt, diese wird befüttert aus dem Backend und sie steuert alle Frontendsysteme und bekommt die Informationen wieder zurück und steuert daraus wieder die Frontendysteme. Eigentlich ein relativ einfaches Bild. Im Endeffekt ist das die einzige Chance, vorne schnell zu sein, weil die Anbindung „nur“ an ein cloudbasiertes System erfolgen muss und nicht an ein Banken-Backend.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Okay, das heißt trotzdem, dass die Arbeitsplätze der Mitarbeiter digitalisiert sein müssen.

Andreas Küchle

Die sind alle digitalisiert, ja.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Genau. Und das bedeutet dann, dass die Kommunikation entweder beim Kunden direkt digital läuft oder vom Kunden zum Bankmitarbeiter analog läuft und dann digitalisiert wird.

Andreas Küchle

Oder über das Telefoncenter.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Da wird aber dann sozusagen der Übergang durch die Person gemacht.

Andreas Küchle

Alle Touchpoints, die wir mit dem Kunden haben, laufen in diesem System zusammen.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Was ich die ganze Zeit höre und was für mich jetzt eine neue Einsicht in dem Gespräch ist: Customer Experience hat ja die ganz wichtige Seite der Mitarbeiter Experience, also der Employer Experience.

Wenn der Mitarbeiter sich nicht wohlfühlt, wenn der Mitarbeiter nicht in der Lage ist, oder auch die technischen Möglichkeiten nicht hat, dann hat er ja ein echtes Problem! Das heißt, wenn ich meinen Kredit gar nicht digital abwickeln kann, dann sitzt der Mitarbeiter da herum und sagt „Warum bin ich der Blöde?“, wenn der Kunde sagt: „Ich mache das doch ständig am Handy. Warum könnt ihr das nicht?“, oder wenn der Mitarbeiter mit Leuten konfrontiert wird, die aus einer anderen Zeit kommen, die zum Beispiel die Digitalisierung noch nicht mitgegangen sind.

Das heißt, die Customer Experience beim Mitarbeiter ist ein ganz wesentlicher Teil – und ich fand das Beispiel von der Edeka-Werbung so toll – ein ganz entscheidender Teil für die Kultur, für die Atmosphäre, für das Wohlbefinden des Mitarbeiters und natürlich auch für die Kommunikation. Die Kommunikation hat ein ganz anderes Niveau, wenn ich zufriedene Kunden und zufriedene Mitarbeiter habe.

Andreas Küchle

Das ist so. Ich kann das noch kurz mit Zahlen vom letzten Jahr ergänzend hinterlegen: Ich glaube, 70% unserer Beratungstermine im letzten Jahr waren technische Beratungstermine.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Was heißt das?

Andreas Küchle

Das waren technische Beratungstermine im Sinne von: Wie funktioniert das mit dem Onlinebanking? Was muss ich tun? Wie kann ich mich einstellen? Sprich, die Mitarbeiter in den Filialen haben immer stärker auch die Rolle des Ermöglichers, des Enablers übernommen.

Da musste man am Anfang natürlich auch kräftig dafür werben, denn als Mitarbeiter werde ich natürlich sagen: „Ja, aber wenn ich das enable, dann kommt der Kunde ja gar nicht mehr zu mir.“ Also, diese Frage, die du vorher gestellt hast – Welche Aufgabe hat eigentlich welcher Mitarbeiter und wie wird es für die Zukunft sein? – ist eine ganz wesentliche Frage.

Deswegen ist das Thema Change Management im Unternehmen auch etwas, das wir in den letzten zwei Jahren auch bei mir im Team hochgezogen haben. Und inzwischen haben wir da auch eine sehr schöne Expertise, die bei allen Projekten, die Veränderungen im Unternehmen mit sich bringen, sofort zu Rate gezogen wird. Es müssen keine Marketingprojekte sein, das können alle möglichen Projekte sein, aber das Change Management muss mit dabei sein, denn es geht um die Veränderung. Und die muss kommuniziert werden. Die muss getragen werden. Und die muss dann eben auch zur Wirkung führen.

Kai Vorhölter

Andreas, wenn ich noch einmal kurz auf das Thema Technologieeinführung schauen darf: Du hast eben schon eine Vision gezeichnet: Echtzeitpersonalisierung ist die Anforderung. Das kann ich bestätigen. Wir arbeiten ja selber als Agentur für viele Kunden genau an dem Thema oder an dieser Vision. Wahrscheinlich sind auch aus unserer Zuhörerschaft einige auf diesem Weg gerade. Hast du da ein Key Learning? Gibt es etwas bei der Einführung eines solchen Mammutthemas, bei dem du sagst: „Da auf jeden Fall darauf achten“?

Andreas Küchle

Ja, es gibt zwei zwei Key Learnings und eine Aussage, so würde ich das mal zusammenfassen. Ein Key Learning ist: Powerpoint ist immer schöner als die Realität. Und ich kann wirklich jedem, der sich mit dem Thema anfreundet nur empfehlen, sich immer Referenzen anzuschauen, wenn es denn welche gibt. Bei uns gab es die noch nicht zu dem damaligen Zeitpunkt, aber man muss dann schon sehr in die Systeme gehen. Powerpoint ist von allen Anbietern hervorragend ausgefeilt und alles ist möglich. Als Unternehmen muss man da ein bisschen tiefer schauen.

Das zweite Key Learning ist: Alles ist möglich. Auf der einen Seite habe ich das infrage gestellt, auf der anderen Seite ist aber tatsächlich alles möglich. Die Frage ist: Wie schaffe ich es, dass ich mich nicht verliere in dieser Welt „Alles-ist-möglich“? Wir haben in dem Projekt, sehr oft einen Prozess gehabt, in dem wir gesagt haben: „Das geht auch! Das geht auch! Das geht auch! Das geht auch. Wollen wir auch! Wollen wir auch! Wollen wir auch!“ Wir wären nie zum Ende gekommen.

Wir haben uns klare User Stories definiert und wir haben versucht, die umzusetzen und da Spur zu halten und dann erst, wenn diese stehen, zu sagen: Jetzt gehen wir an die anderen Sachen. Wir haben das System noch nicht annähernd so ausgefahren, wie es ausfahrbar wäre, und wir haben jetzt schon – Stand heute morgen, das habe ich mir noch mal kurz angeschaut – über 400 Kampagnen über unser CRM am Start. Davon sind circa 40 Dauerkampagnen, die automatisiert aufgrund von Interessen, die uns über unterschiedliche Kanäle zurückgespielt werden, ausgesteuert werden.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Das Statement?

Andreas Küchle

Das Statement ist: Zeit geben, unbedingt Zeit geben. Und den Change nicht unterschätzen – im Marketing genauso wenig. Man braucht im Marketing ein Stück weit veränderte Rollen, die man nicht sofort hat, nicht zwingend hat, wenn man nicht die Mannschaft austauschen will – was bei uns zum Beispiel niemals in Frage kommen würde. Es bedeutet Veränderungszeit. Es bedeutet Veränderung, auch in der Beherrschung der Maschine und auch in der Denkweise. Man kann versuchen, es zu beschleunigen, indem man Experten von außen zukauft, denen fehlen dann aber die Internas. Man muss aufpassen, dass man sich nicht überambitioniert mit dem Thema.

Kai Vorhölter

Das fand ich jetzt persönlich sehr, sehr wertvoll als Insight. Jetzt sind wir ja kurz vor dem Ende unserer Show und jetzt sind wir ja schon beim Thema Zukunft. Magst du mit uns noch mal ein paar Jahre in die Zukunft gehen und ein Bild wagen? Wie wird denn das Bankengeschäft dann aussehen?

Andreas Küchle

Ich würde mich gerne mal über eine Jahresstrecke hin hangeln. Ich weiß nicht, ob es eine einfache Antwort gibt. Ich hoffe, dass es – und jetzt spreche ich nur für das Privatkundengeschäft, denn ich glaube, das ist einfacher zu formulieren – ich hoffe, dass es bei den Kunden einfacher ankommt, als es sich momentan darstellt. Banking ist nämlich an sich einfach. Und die Art und Weise, wie wir es machen und die Veränderungen lassen es komplex erscheinen. Aber es ist eigentlich nicht komplex. Und ich hoffe sehr, dass wir es schaffen werden, das Banking so einfach darzustellen, dass es für jeden auch ein einfaches Thema ist, bei dem er für sich klar und deutlich seine Entscheidungen gut treffen kann, mit einem guten Gefühl und nicht immer mit dem Gefühl „Habe ich jetzt wirklich auch die letzte Klausel verstanden?“.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Ich finde, das ist eine tolle Einsicht, die gibt es in anderen Branchen auch: Komplexität reduzieren und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Das ist nicht so einfach, sowohl technologisch als auch psychologisch. Aber das ist ein fantastischer Hinweis.

Ich würde gerne noch mal zum Purpose kommen, weil das natürlich für die Zukunft auch wichtig ist, denn die Sparda-Bank hat ja einen Higher Purpose, wenn man das so sagen kann, wenn man in dieser englischen Sprachweise bleiben will, die hat einen guten Grund. Es ist eine Genossenschaftsbank, die arbeitet für die Genossen und Genossinnen, die da alle dabei sind und die muss keine 35% Rendite abwerfen und das will sie auch gar nicht. Ich denke, mit diesem Vermögen, mit diesem Vertrauen, mit dieser Geschichte hat die Sparda-Bank eine ganz spezielle Situation. In Deutschland haben wir eine ganze Menge andere Unternehmen in ähnlichen Konstellationen als Stiftungen oder Genossenschaften oder was auch immer. Aber wenn man so nah am Privatkundengeschäft ist –

Ich glaube, viele Leute, haben das Bedürfnis, einen sinnvollen Akt zu machen, auch beim Geld. Man kauft Bio, regional, man versucht Energie zu sparen und man will auch bei der Bank sozusagen mit seinem Geld etwas bewirken. Für sich und für die anderen. Dieses Gemeinschaftsgefühl, ich glaube da habt ihr ein riesiges Asset, welches ihr in Zukunft viel besser ausspielen könnt.

Kai Vorhölter

Ich glaube schon, dass ihr könnt, aber ihr tut es auch jetzt schon.

Andreas Küchle

Er formuliert es ja schon richtig, der Waldemar. Völlig richtig. Aber auch da sollte man die Zeitschiene betrachten. Wir kommen aus einer Zeit, da war dieser Purpose völlig klar.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

In den Fünfzigern und Sechzigern.

Andreas Küchle

Nein, ich würde sagen, bis vor fünf Jahren war es völlig klar. Es war das kostenlose Girokonto, es war die beste Baufinanzierung, die man machen konnte. Sie war schnell, sie war einfach, sie war unkompliziert. Und deswegen sind viele Kunden zu uns gekommen. Deswegen sind wir auch die größte Genossenschaftsbank in Baden-Württemberg. Das hatte auch seinen Grund, warum wir das waren. Die Leute haben ihre Einlagen gebracht, es waren schnelle, sichere, einfache Einlagen. Was bekommst du für deine Einlage momentan auf der Bank?

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Nicht mal ein Prozent.

Andreas Küchle

0,00%, kann ich dir sagen. Wenn du Glück hast, sind es 0,001%, also an der dritten Stelle steht keine Null mehr. Aber es hat sich natürlich schon ein bisschen was in der Marktkonstellation verändert. Und die Differenzierung über den direkten Mehrwert des Preises, die funktioniert heute nicht mehr. Die Margen sind zu niedrig, die Differenzierung ist zu klein. Wenn ich jetzt eine Baufinanzierung mache und ich habe eine hervorragende Zehn-Jahres-Kondition von 0,78 im Vergleich zu 0,88 vom Konkurrenten – wo bitteschön ist da noch der Unterschied? Also muss es sich doch an einer anderen Stelle widerspiegeln.

Und mit unserem Purpose als Genossenschaftsbank, die sich mit ihren Stiftungen, mit unserem Gewinnsparverein sozial engagiert, die sich in der Bildung für Kinder engagiert, die mit unserer „Stiftung Umwelt und Natur“ in Nachhaltigkeit investiert, die in die Kultur in Baden-Württemberg investiert, da sind wir bei den Leuten nach wie vor sehr gut positioniert. Aber das ist jetzt auch kein Thema, was die breite Masse in Baden-Württemberg wahrnimmt, sondern es geht dann am Ende als Dienstleister immer auch darum, dass der Kunde sagt: „Ich nehme das wahr. Ich nehme das als gegeben hin. Das gibt mir Vertrauen, bei der Bank zu sein.“

Aber in der Leistung muss ich auch meine Differenzierung spüren. Und jetzt komme ich genau zu diesem persönlichen Leistungsfaktor. Da waren wir bisher preislich sehr positioniert und wir müssen jetzt in diesem Prozessualen, in diesen Frontends aufholen. Und da gilt es, die Hausaufgaben fertig zu machen. Da haben wir sehr gute Ansätze, aber wir sind da noch nicht fertig. Und auch da gibt es einen Change, einen Wandel von den Menschen, die das, was früher war, immer noch gerne hätten. Aber das kann ich ihnen heute nicht mehr geben. Auch da haben wir dann eben den Wandel durchzuführen. Und dann gibt es wieder neue Kunden, die dazukommen, die dann sagen: „Ja, aber das ist doch cool eigentlich, was die da machen. Eigentlich ist das doch gut.“ In dieser Welt leben wir momentan und damit sind wir ganz hoffnungsfroh für die Zukunft.

Ich glaube, wenn du jetzt nach vorne schaust, haben wir es in Zukunft dann tatsächlich geschafft, unsere unterschiedlichen Kanäle und Touchpoints und Kundenerlebnisse miteinander so zu synchronisieren, dass es ein gemeinsames Erlebnis wird – von einer sehr verantwortungsbewussten, nachhaltig agierenden Bank in Baden-Württemberg und den Menschen, die hier wohnen.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Und sinnvoll getrieben. Damit können sich viele Leute identifizieren.

Andreas Küchle

Das ist so meine Prognose für die nächsten paar Jahre.

Kai Vorhölter

Super! Ich glaube, das ist eine Riesenchance. Das sagt ja auch dein Buch „H2H-Marketing – The Genesis of Human-to-Human Marketing”. Und auch wir, in unseren Projekten, sehen das immer mehr. Customer Experience bedeutet: Nicht den Kunden schröpfen, nicht sich über den Kunden stellen, sondern gemeinsam gewinnen. Da bringt ihr ideale Voraussetzungen mit, haben wir heute erfahren.

Waldemar, was sind so zwei oder drei Aspekte, die du heute mitnimmst aus dem Gespräch?

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Ich habe heute sehr viel lernen können. Zum einen, die Sparda-Bank selbst ist natürlich eine etablierte Bank, aber dass da so viel Veränderung stattfindet, ist von außen für mich jetzt bisher noch nicht sichtbar gewesen.

Und als zweiten Aspekt, ich habe es vorher schon mal gesagt, CX findet ja zwischen zwei Menschen statt. Ich persönlich habe immer mehr den Fokus auf den Kunden gelegt und nicht so sehr auf den Mitarbeiter. Und diese Einsicht, prinzipiell durch deine Beispiele getrieben, die ist essentiell. Denn wenn ich zwei unzufriedene Leute habe, dann passiert gar nichts. Wenn ich einen Zufriedenen, aber einen Unzufrieden habe, passiert weniger. Umgekehrt habe ich auch weniger. Ich muss also auf beiden Seiten etwas tun und diese Verbindung schafft eine neue Situation – eine neue menschliche Situation, die sich dann auch anderswohin entwickeln kann. Dass das in das Marketingkonzept der Unternehmen verstärkt mitaufgenommen wird, das ist eigentlich heute meine Haupteinsicht.

Wir müssen Kunden und Mitarbeiter auf ein Niveau bringen – oder ihnen Bedingungen geben, dass sie funktionieren und miteinander interagieren.

Kai Vorhölter

Sich gleichzeitig entwickeln.

Prof. Dr. Waldemar Pförtsch

Genau.

Kai Vorhölter

Super! Vielen, vielen Dank! Vielen Dank, Waldemar, aber natürlich vor allem unserem Gast. Lieber Andreas, vielen Dank, dass du da warst. Ich fand es superspannend.

Andreas Küchle

Sehr gerne.

Kai Vorhölter

Liebe Zuschauer, das war unsere zweite Episode von der CX Lounge. Die dritte ist auch schon in Anbahnung. Von da aus: schaltet das nächste Mal gerne wieder ein.

Alexandra Gerstung

„Die Welt soll Ihre Marke sehen? Melden Sie sich bei uns.“

Alexandra Gerstung
Business Development Manager